Lokschuppen im Bahnbetriebs- und Reichsbahnausbesserungswerk Leipzig-Engelsdorf

Veröffentlicht am 13. Februar 2023
Lokschuppen im Bahnbetriebs- und Reichsbahnausbesserungswerk Leipzig-Engelsdorf

Die Luftaufnahme zeigt die Trümmer des Ringlokschuppens im Bahnbetriebs- und Reichsbahnausbesserungswerk Leipzig-Engelsdorf entlang der heutigen Leipziger Werkstättenstraße. Leipzig ist und war schon immer ein Eisenbahnknotenpunkt. So entwickelte sich aus der im Jahre 1905 erbauten Lokomotiven- und Wagenwerkstatt ein großes Reichsbahnausbesserungswerk, das über mehrere große Ringlokschuppen mit Drehscheiben verfügte.

Durch den geplanten Bau des Leipziger Hauptbahnhofes vor über 100 Jahren mußte das damalige Eisenbahnwerk Leipzig II am sogenannten „Dresdner Bahnhof“ verlegt werden, um genügend Fläche für den Neubau der Lokomotiven- und Wagenwerkstatt zu schaffen. Als Standort wurde Engelsdorf gewählt, da sich in unmittelbarer Nähe die Bahnstrecke nach Dresden befand.

Nach der fast vollständigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, wie sie im Luftbild am Beispiel des Ringlokschuppens dokumentiert ist, entwickelte sich das Reichsbahnausbesserungswerk zu DDR-Zeiten zu einem Großbetrieb mit zeitweise fast 4.000 Beschäftigten. Bis zum Ende der 1960’er Jahre wurden jährlich bis zu 550 Dampflokomotiven sowie tausende Güter- und Personenwagen repariert.

Nachdem Dampflokomotiven außer Dienst gestellt worden sind, konzentrierte sich das Werk auf den Bau von gedeckten Güterwagen, von Kesselwagen sowie von Containerwagen. Nach der Wiedervereinigung hatte das große Bahnbetriebswerk jedoch an Bedeutung verloren. Das Bahngelände mit seinen vielen inzwischen baufälligen Gebäuden und Lokschuppen verfällt immer mehr.

Bildcode: USASC-296


Da auch dieses Luftbild zunächst als „unbekannt“ klassifiziert worden war, weil nicht eindeutig ermittelt werden konnte, um welchen Lokschuppen es sich in Leipzig handeln könnte, hatten sich sehr viele Internetseitenbesucher bei Markus Lenz via E-Mail gemeldet und wertvolle Hinweise eingereicht. Diese Hinweise sollen nachstehend aufgelistet werden, um einerseits aufzuzeigen, wie diffizil die Verortung historischer Luftnahmen ist, und um andererseits den Herren Andreas Polfeld, Michael Schmitz und Stefan Blöß für ihre mühevolle Hilfe zu danken.


Herr Andreas Polfeld schrieb:

…es könnte sich um einen der Ringlokschuppen des Bahnbetriebwerks Augsburg handeln. Auf dem alten Luftbild sind zwei Elektrolokomotiven der Baureihe E77 zu erkennen, die im Schuppen stehen. Unter anderem waren diese zu dieser Zeit im Betriebswerk Augsburg stationiert. Die Ruinen des Schuppens sind noch heute vorhanden und wenn man das alte Luftbild mit den heutigen Luftbildern via Google Maps vergleicht, ist die Ähnlichkeit sehr zutreffend. Die Drehscheibe steht so, dass Lokomotiven aus oder in den Schuppen fahren können, quasi in Grundstellung. Zieht man eine Linie von der Einfahrt über die Drehscheibe zum Schuppen, kommt man ungefähr auf Stand 3 oder 4, wie auch auf den aktuellen Luftbildern zu erkennen. Auch der Abstand zum Güterbahnhof im Hintergrund paßt in etwa. Ebenso der Weg im Vordergrund des Schuppens paßt, zumal auch dort auch noch ein Gleis zu erkennen ist. Vieleicht sollte man hier noch weiter in diese Richtung forschen, um sicher zu gehen, das es Augsburg ist.“


Herr Stefan Blöß schrieb:

…zu dem unbekannten Ringlokschuppen (USASC- 296) habe ich festgestellt, dass es sich zu 99 % um den Lokschuppen in Leipzig Schönefeld an der Adenauerallee handeln muß. Der Lokschuppen ähnelt dem wohl in dem BBW Augsburg, doch es sind einige kleine Unterschiede zu entdecken! In Augsburg finden sich drei Fenster pro Stellplatz und auf dem Luftbild erkennt man klar nur zwei Fenster - wie in Schönefeld zu vorzufinden ist. Ferner sind im originalen Luftbild die Erker bzw. die hervorspringenden Ecken zu erkennen, die es wiederum in Augsburg nicht gibt. Auch die in der oberen Bildhälfte zu sehenden Fundamente des Kohlebunkers finden sich heute wieder.“

Google Earth Lokschuppen Bahnbetriebs- und Reichsbahnausbesserungswerk Leipzig-Engelsdorf

Bahnbetriebswerk Leipzig-Engelsdorf

Reichsbahnausbesserungswerk Leipzig-Engelsdorf

Bildquellen: Google Earth


Herr Michael Schmitz schrieb:

…es könnte das BW Engelsdorf zeigen. Das BW und das angrenzende AW wurden im April 1945 zu 85 % zerstört. Offensichtlich wurden der abgebildete Lokschuppen und auch die Drehscheibe nicht wieder aufgebaut. Daher hatte sich auch die Suche nach dem Aufnahmeort so schwierig dargestellt. Ich konnte im Internet kein einziges Bild finden, das diesen Lokschuppen zeigt! Nur das Meßtischblatt belegt den Standort dieses Ringlokschuppens.“

Bahnbetriebswerk Engelsdorf, Leipzig, Meßtischblatt

Das BW lag etwas tiefer im Gelände als die Gleise des Güterbahnhofs. Daher gab es einen kleinen Hang zwischen den Gütergleisen und dem BW. An diesem Hang gab es, wie auf dem historischen Luftbild zu erkennen ist, eine Bebauung. Am linken Bildrand ist der Geländeanstieg zu den Gütergleisen gut zu erkennen. Genau an dieser Stelle scheint es eine Weiche bei den Gütergleisen gegeben zu haben. Exakt an dieser Stelle erkennt man heute noch eine Verschränkung der Gleise. Auch wurde an dem Hang wieder eine Bebauung hergestellt. Ich bin mir daher ziemlich sicher, dass die Aufnahme das BW Engelsdorf in Leipzig zeigt.“

In Leipzig gab es zehn Betriebswerke und noch mehr Ringlokschuppen. Es ist nicht so einfach, sie alle zu unterscheiden. Ich habe sie aufgelistet und auf der Karte markiert. Die Spitze der Pfeile zeigen auf die Lage der Hallen.

1: BW Bayrischer Bahnhof (2 Ringlokschuppen, einer noch vorhanden)
2: BW Leipzig Hbf. West (2 Ringlokschuppen, beide noch vorhanden)
3: BW Leipzig Hbf. Süd (1 Ringlokschuppen, abgerissen um 2016 herum)
4: BW Leipzig Hbf. Nord (1 Ringlokschuppen, vorhanden)
5: BW Wahren (2 Ringlokschuppen, 1,5 noch vorhanden)
6: BW Leutzsch (kleiner Lokschuppen 2 Stände, noch vorhanden)
7: BW Engelsdorf (2 Ringlokschuppen, einer noch vorhanden)
8: BW Leipzig Eilenburger Bhf. (1 Ringlokschuppen, noch vorhanden)
9: BW Plagwitz (Preußisch) (eine 4 Ständige Rechteckhalle, noch vorhanden)
10: BW Plagwitz (Sächsisch) (kleiner Lokschuppen 3 Stände, noch vorhanden)

Der Ringlokschuppen an der Adenauerallee (Pos. 4) ist der des BW Leipzig Hbf. Nord. Der gehörte - wie der Name schon sagt - zum Hauptbahnhof und beheimatete in erster Linie Personenzuglokomotiven. Die Ausrichtung der Halle erlaubt nicht den Schattenwurf, der auf dem Bild zu sehen ist. Die Sonne müßte im Nordosten stehen. Aus genau diesem Grund hatte ich auch die beiden Lokschuppen in Wahren schon ausgeschlossen. Ferner sieht man am vorderen Bildrand Gleise liegen. Das paßt nicht zum BW Hbf. Nord. Dort lagen im Verlauf der Adenauerallee niemals Schienen. Auch fuhr hier nie eine Straßenbahn. Bei nur wenigen der Lokschuppen führen Gleise hinter der Halle entlang. Hinter dem BW Leipzig Hbf. West verläuft und verlief auch damals eine Straßenbahn. Aber auch hier hätte die Sonne im Norden stehen müssen. Wahren hatte Gleise hinter der Halle. Aber der Winkel, in dem die Gleise an den Ringlokschuppen in Wahren vorbei führen, paßt nicht. Das paßt aber alles hervorragend im BW Engelsdorf! Gleise im ‚richtigen‘ Winkel und Abstand sowie Sonnenstand im Südwesten.

Der Hinweis von Herrn Stefan Blöß auf den ‚Erker‘, welcher auf dem Bild zu finden sei, ‚hinkt‘ ein wenig. Denn am Lokschuppen des BW Hbf. Nord findet sich rechts im Bild ein weiterer Vorsprung bzw. Erker. Dieser fehlt auf dem historischen Luftbild komplett. Die Werkstattanbauten links im Bild von Herrn Blöß sind auf dem historischen Luftbild ebenfalls nicht zu finden. Tatsächlich aber schließe ich den Lokschuppen an der Adenauerallee - wie schon beschrieben - wegen des Schattenwurfs aus. Unten füge ich ein eingenordetes Bild mit der Richtung des Schattenwurfes hinzu. Das geht einfach nicht! Die Sonne geht selbst Ende Juni nicht so weit im Norden auf als dass der Schattenwurf passen würde. Der Schattenwurf ist auch zu kurz, um kurz nach Sonnenaufgang entstanden zu sein. Die Sonne müßte schon weiter im Südosten stehen, um einen so kurzen Schatten zu werfen.

Ich komme immer mehr zur Überzeugung, dass das historische Luftbild der Trolley Mission den nach dem Angriff 1945 nicht wieder hergestellten Ringlokschuppen im BW Engelsdorf (Pos. 7) zeigt! Auf den folgenden zwei Bildern habe ich versucht, etwa denselben Ausschnitt aus Google Maps zu extrahieren. Im direkten Vergleich sieht man, wo der Lokschuppen einst stand. Dort ist heute die Halle der Werkstatt für die Gleisbremsen. Offenbar wurden nur einige Freistände an der Drehscheibe des kleineren Lokschuppens hinzugefügt und die zweite, größere Halle samt Drehscheibe vollständig abgebaut.

Der Schattenwurf paßt zum Sonnenstand am Nachmittag. Die Gleise hinter der Halle passen vom Winkel her, die Belegung mit Güterzuglokomotiven und auch das Foto aus 1945 zeigt diese Halle. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auf dem historischen Foto diese Halle im BW Engelsdorf abgebildet ist und nicht die an der Adenauerallee! Das BW Engelsdorf hat übrigens nichts mit dem AW Engelsdorf zu tun! Das BW beheimatete die Lokomotiven für den Güterverkehr und die Rangierloks für den Güterbahnhof Engelsdorf. Das AW schließt gleich östlich am BW an, ist aber organisatorisch getrennt.“

Schließlich habe ich noch etwas entdeckt, was mich endgültig überzeugt, dass die historische Luftaufnahme den Lokschuppen des BW Engelsdorf zeigt. Ich hatte ja schon beschrieben, dass die Gleise des Güterbahnhofs etwas höher liegen als die des BW. Die Ausfahrt aus dem BW nach Westen geht ausschließlich auf die Strecke Leipzig-Geithain. Diese unterquert die Gütergleise im Bereich des Ablaufberges. Die Ausfahrt des BW liegt auf der Höhe der Strecke und damit also sicher tiefer als die Gütergleise. Vom Ablaufberg zu den Streckengleisen (von West nach Ost) liegt ganz rechts ein Schutzgleis. Jedoch gibt es ein weiteres Gleis, das rechts sowohl am Ablaufberg als auch an den Streckengleisen vorbeiführt. Es schwenkt hinter dem Prellbock des Schutzgleises näher an die Streckengleise heran. Das ist auf dem historischen Luftbild zu erkennen. Ich hatte erst vermutet, dass es dort eine Weiche gegeben haben könnte. Das war aber falsch! Ich denke, dass es sich um ein Umgehungsgleis für Rangierfahrten handelt. Das Umgehungsgleis schwenkt um das Schutzgleis und das war schon im Jahre 1945 so.“

Zum Vergleich noch ein Bild aus „Google Earth“ und dem historischen Luftbild, auf dem ich die Gleise zum besseren Verständnis farblich markiert habe.“

Google-Earth-Markierung:
Hier in blau markiert die Strecke Leipzig-Geithain. In gelb markiert das Gleis vom Ablaufberg zum Schutzgleis. Das Schutzgleis endet dort an einem Prellbock. In rot markiert das Umgehungsgleis. Das Einschwenken des Umgehungsgleises hinter dem Prellbock ist gut zu erkennen. In grün markiert das Ausfahrgleis aus dem BW Richtung West.

Markierung auf historischem Luftbild:
Nun die selben Farben für die selben Gleise: Vorne links blau markiert die Strecke Leipzig-Geithain, dann gelb markiert das Schutzgleis, in rot markiert das Umgehungsgleis mit dem sichtbaren Einschwenken und schließlich grün markiert die westliche Ausfahrt aus dem BW.

Schlußendlich finde ich es interessant, dass auf dem historischen Luftbild keine Waggons auf dem ersten Gleis stehen! Das paßt auch zu der Annahme, dass es sich hier um das Umgehungsgleis der Streckengleise handelt.“

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Trolley Mission

Die „Trolley Mission“ war eine damals geheime Flugmission der US-amerikanischen Luftwaffe. Im Mai 1945 sind Luftaufnahmen erstellt worden, die deutsche Städte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg sprichwörtlich zur „Stunde Null“ zeigen.

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