Gleisanlagen und Öltanks des Mineralölwerk Lützkendorf in Krumpa (Stadt Braunsbedra) im Saalekreis in Sachsen-Anhalt im Zweiten Weltkrieg

Veröffentlicht am 4. Juli 2023
Gleisanlagen und Öltanks des Mineralölwerk Lützkendorf in Krumpa (Stadt Braunsbedra) im Saalekreis in Sachsen-Anhalt im Zweiten Weltkrieg

Die Luftaufnahme zeigt die Überreste des Mineralölwerks Lützkendorf in Krumpa. Das Mineralölwerk ist heute nicht mehr vorhanden und wurde mit dem Industrie-und Landschaftspark Geiseltalsee überbaut. Der Bereich im Vordergrund ist im heute im Geiseltalsee untergegangen. Dort, wo einst die Bahnstrecke vor den Ruinen zu sehen war, liegt ungefähr das heutige Ufer des Geiseltalsees.

Im Hintergrund auf dem Luftbild (rechts, oben) ist Krumpa zu erkennen. Hinter dem Werksgelände, also im oberen Drittel des Luftbildes, verläuft heute die Neumarker Straße, die den Schortauer Weg und etwas später die Parkstraße kreuzt. Herr Holger Schulz hat dankenswerterweise eine Gegenüberstellung des Luftbildes mit einem historischen Kartenauszug angefertigt und sogar den Verlauf der ehemaligen Straßenbahngleise markiert - vielen Dank!

Gegenüberstellung

Gegenüberstellung und historischer Kartenauszug mit Straßenbahngleise in Krumpa

Quelle: Holger Schulz

Darüber hinaus haben sich in den letzten Wochen sehr viele Internetseitenbesucher mit wertvollen Fachinformationen gemeldet, die nachstehend abgedruckt werden sollen. Allen Damen und Herren gilt großer Dank, denn wir haben es geschafft, die historischen Luftbilder von Lützendorf eindeutig zu identifizieren.

Herr Winkler schreibt

Mit Interesse habe ich mir die Bilder vom zerstörten Mineralölwerk Lützkendorf angesehen. Ich denke mal, das ist es auch tatsächlich. Dass man heute in Google Earth nichts mehr sieht, liegt daran, dass dort der Bergbau umgegangen ist. Im Bild ist der Blick aus Richtung Norden, etwa im unteren Drittel ist heute die Tagebaukante, vorn wäre also der heutige Geiseltalsee, den es natürlich 1945 noch nicht gab. Auf der Straße unten kann man die Gleise der Überlandbahn von Merseburg nach Mücheln erkennen, kurz dahinter liegt heute das Seeufer. Die Bahnanlagen dahinter gehören zur Strecke von Merseburg nach Querfurt, die aber schon ab dem Jahre 1964 verlegt wurde und nun am Horizont liegen müssten. Die Gleisverzweigungen am rechten Bildrand unterhalb des Gasometers gehen in eine „Grube Emma“ (sie enden zumindest in der Nachbarschaft). Insofern müsste man weitere Luftbilder der Jahre nach 1945 haben, um die Veränderungen nachverfolgen zu können. Sehen Sie mal in SUSUDATA nach (da ist das Werk noch nicht abgebildet oder absichtlich weggelassen), Meßtischblatt und Openrailwaymap (damit sieht man die Anschlussgleise des Werkes) – dann wird das klar. Es ist schon interessant, wie sich die Landschaft geändert hat.

Das Mineralölwerk Lützkendorf entstand im Zuge der nationalsozialistischen Autarkiebestrebungen, um als Hydrierwerk aus Braunkohle verschiedene synthetische Ölfertig- und Halbprodukte sowie Diesel als anfallendes Nebenprodukt herzustellen. Einst von der Wintershall AG beauftragt und von der Mitteldeutschen Treibstoff- und Oelwerke A.G. geplant, begann im Oktober 1936 der Aufbau des Werkes. Die offizielle Firmierung lautete „Wintershall A.G. Werk Lützkendorf“. Um synthetische sowie konventionelle Kraftstoffe aus Braunkohle und Erdöl zu generieren, wurden die erforderlichen Rohstoffe überwiegend aus den Anhaltischen Kohlenwerken aus unmittelbarer Nähe zu Lützkendorf geliefert. Im Jahre 1939 war das Werk in seiner Grundfunktion errichtet. In den folgenden Jahren kamen noch zusätzliche Anlagen hinzu, beispielsweise der im Jahre 1941 fertiggestellte „Europatank“, der mit seinem Fassungsvermögen von 20.000 Kubikmetern damals der größte Treibstofftank Europas war. Insgesamt erstreckte sich das Betriebsgelände über eine Fläche von 25 Quadratkilometern.

Im April 1944 arbeiteten im Mineralölwerk Lützkendorf rund 5.000 Menschen im Dreischichtbetrieb, darunter 1.000 Montagearbeiter anderer Firmen und zahlreiche freiwillige Fremdarbeiter aus verschiedenen Ländern. Zusätzlich entstanden für die Werksangehörigen vier Arbeitersiedlungen; so erfolgte in Krumpa der Bau einer Siedlung mit Einfamilienhäusern und Volkswohnungen in zweigeschossigen Wohnblöcken. Um den steigenden Bedarf an Wohnungen und Einfamilienhäusern für die Belegschaft zu decken, wurden in Mücheln drei weitere Werkssiedlungen errichtet. Dazu kamen eine Volksschule, mehrere Einkaufsläden, ein neuer Bahnhof und Freizeitanlagen. Da alle Raffinerien und Treibstoffwerke im Deutschen Reich zu wichtigen Zielen der alliierten Luftstreitkräfte galten, wurde das Mineralölwerk Lützkendorf von zahlreichen Luftangriffen heimgesucht. Im Juli 1944 erfolgte einer der schwersten Luftangriffe auf Lützendorf, so dass das Werk über 33 Stunden lang brannte. Synthese und Hydrierung von Kraftstoffen konnten danach nicht wieder in Betrieb genommen werden. Lediglich die Schmierölfabrik produzierte in begrenztem Umfang weiter.

Insgesamt flogen die alliierten Bomber 14 Angriffe gegen das Werk. Die „Öl-Offensive“ der Alliierten gegen die deutschen Hydrierwerke, Raffinerien und Tanklager fand in der Nacht vom 8. zum 9. April 1945 ihren Abschluß mit einem Großangriff auf das Mineralölwerk Lützkendorf. Nach dem letzten Angriff waren 80 Prozent der Betriebsanlagen zerstört. Fünf Tage später, am 13. April 1945, besetzte die United States Army das Werk. Vom 1. bis 4. Juli 1945 zogen die US-Streitkräfte aus Mitteldeutschland ab und überließen gemäß dem Zonenprotokoll das Gebiet im Tausch gegen West-Berlin der Sowjetischen Besatzungsmacht. Nach der Übernahme befahl am 12. Juli 1945 die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD), die Produktion in Lützkendorf wieder aufzunehmen. Trotz der schweren Kriegsschäden begann schon kurz danach die Auslieferung der ersten Schmierstoffe als Reparationsleistung an die Sowjetunion. Die Anordnung der SMAD umfaßte die vollständige Wiederinbetriebnahme des Hydrierwerks, der Synthese-Anlage, der Destillation und Schmierölfabrik.

Im November 1946 wurde das Werk in eine Sowjetische Aktiengesellschaft überführt. Im Dezember 1947 befahl die SMAD die Demontage einiger Anlagenteile, die in die Sowjetunion verfrachtet wurden. Nach den Demontagen gestattete die SMAD der neu gegründeten Provinz Sachsen-Anhalt den etappenweisen Rückkauf der in Lützkendorf verbliebenen Anlagen, so dass am 1. Juli 1948 das Werk als VEB Mineralölwerk Lützkendorf in Krumpa wieder in Betrieb ging. Das Mineralölwerk Lützkendorf war das erste Chemiewerk, das die SMAD in deutsche Nutzung übergab. Fortan entwickelte sich das Werk zu einem Schwerpunkt- und Musterbetrieb der DDR. Von Anfang an nutzte es die SED-Führung für Propagandazwecke, beispielsweise drehte die DEFA den Dokumentarfilm „Die neuen Herrn von Lützkendorf“. Der Film dokumentierte, was die „neuen Menschen der Arbeit“ in diesem volkseigenen Hydrierwerk anders und besser als die westdeutschen Kapitalisten machten. Später trug sogar ein Tankschiff der Handelsmarine der DDR den Namen Lützkendorf. Das Werk galt in der DDR als Triumph der sozialistischen Technik und als Beweis für die brüderliche Zusammenarbeit mit der Sowjetunion.

Bis Dezember 1949 wurden alle ursprünglichen Anlagen wieder aufgebaut und die Produktionskapazität auf den Stand vor 1944 gebracht. Hinzu kam in den Jahren 1950 bis 1953 neue Infrastruktur hinzu, beispielsweise eine Berufsschule, ein Kulturhaus, zwei Betriebskindergärten, eine Poliklinik, ein Schwimmbad und weitere Werkswohnungen. Im Zuge der Deutschen Einheit übernahm die Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums („Treuhandanstalt“) den VEB Mineralölwerk Lützkendorf in Krumpa im April 1990 und ordnete das Werk zunächst direkt dem VEB Petrolchemisches Kombinat Schwedt (PCK Raffinerie GmbH) zu. Wenig später erfolgte die Umwandlung zur ADDINOL Mineralöl GmbH Lützkendorf, deren Gesellschafterin die Treuhandanstalt war, die vergeblich versuchte, das Unternehmen schnellstmöglich zu privatisieren.

Die Suche nach einem Investor gestaltete sich jedoch schwierig. Trotz diverser Interims-Investoren verloren tausende Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz. Von einst rund 4.000 Beschäftigten blieben lediglich 430 übrig. Alle Versuche zur Privatisierung waren gescheitert. Im Herbst 1996 begann schließlich der Abriß des Mineralölwerks Lützkendorf. Die endgültige Stillegung erfolgte im März 1998. Damit endete die Geschichte des Mineralölwerks Lützkendorf. Nach der Stilllegung des Mineralölwerks blieb ein hochgradig mit giftigen Stoffen kontaminiertes Betriebsgelände zurück. Ein Teersee mit 110.000 Tonnen abgelagerten Säureharzen und Bleicherde konnte bis zum Jahre 2003 saniert werden. Auf einem Teil des ehemaligen Werksgeländes errichtete BP einen Solarpark, der seinerzeit mit rund 25.000 Solarmodulen einer der größten in Europa war.

Infolge der fortgeschrittenen Schadstoffausbreitung mußten große Bereiche des Geländes umgestaltet werden. Der Grundwasserstrom vom ehemaligen Werksgelände in Richtung Geiseltalsee, wurde mit einer rund 40 Meter tiefen und 800 Meter langen Betonmauer gestoppt. Seit dem Jahre 2004 wird das vor der Dichtwand angestaute kontaminierte Grundwasser in einer Drainage gesammelt und gereinigt. Im Jahre 2017 standen noch 25 Öltanks in verschiedenen Größen. Bis zum Jahre 2020 wurden für die Sanierung des Geländes vom Land Sachsen-Anhalt unzählige Millionen Euro aufgewendet.

Künstlich nachkolorierte Luftaufnahme

Mineralölwerk Lützkendorf in Krumpa (Stadt Braunsbedra) im Saalekreis in Sachsen-Anhalt im Zweiten Weltkrieg

Bildcode: USASC-435

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Trolley Mission

Die „Trolley Mission“ war eine damals geheime Flugmission der US-amerikanischen Luftwaffe. Im Mai 1945 sind Luftaufnahmen erstellt worden, die deutsche Städte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg sprichwörtlich zur „Stunde Null“ zeigen.

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