Die Luftaufnahme zeigt die große Fabrikhalle der von Bernhard Seibert im Jahre 1922 gegründeten Stahlfabrik im Aschaffenburger Industriegebiet Nilkheim. Neben seinen bereits bestehenden Stahlwerken in Saarbrücken und Homburg entstanden in Aschaffenburg die sogenannten „Seibert Werke“, wo schwerpunktmäßig Brücken, Luftschiffhallen und Stahlgerüstbauten hergestellt wurden. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden die Seibert-Werke zum Rüstungsbetrieb umgewandelt und dienten zunächst als zusätzliche Panzer-Reparatur-Werkstätte für die in Frankfurt am Main angesiedelten Adler-Werke. Eine ganz besondere Rolle nahmen die Seibert-Werke zum Ende des Zweiten Weltkrieges ein, als das Oberkommando der Marine ab Mitte 1943 die Herstellung einer großen Zahl neuer U-Boote vom Typ XXI (Typ 21) plante, die zu einer Wende im U-Boot-Krieg führen sollten.
Die Fertigung der U-Boote sollte jedoch nicht mehr an einem einzigen Standort durchgeführt werden, sondern durch Dezentralisierung auf unterschiedliche Fertigungsstätten und -betriebe im ganzen Reichsgebiet verteilt werden. Mit der Dezentralisierung sollten einerseits Synergien der noch nicht zerstörten Rüstungsbetriebe gebündelt werden, um die Bauzeiten der neuen U-Boote wesentlich zu beschleunigen, und andererseits gezielte Luftangriffe auf einzelne Fertigungsstätten vermieden werden. Darüber hinaus herrschte strengste Geheimhaltung über den gesamten Fertigungsprozeß, so dass selbst die Royal Air Force in ihrem „Bomber’s Baedeker“ nur vage und nicht bestätigte Angaben über eine Rüstungsfabrik im Süden von Aschaffenburg machen konnte („Confirmation of this report is lacking“ = „Eine Bestätigung dieses Berichts steht noch aus“).
Die zur Montage vorgesehenen Einzelteile der U-Boote sollten von den Seibert-Werken mit Binnenschiffen zur Endmontage in die Werften Deschimag AG Weser (Bremen), Blohm & Voss (Hamburg) sowie Schichau Werft (Danzig) transportiert werden. Allerdings blieb die große Fertigungshalle in Aschaffenburg-Nilkheim von den Alliierten nicht unentdeckt, so dass die Seibert-Werke trotzdem zum Ziel von Luftangriffen wurden. In einem Artikel der Zeitung Main-Echo, der im Jahre 2010 veröffentlicht wurde, bestätigt der Zeitzeuge Martin Kempf explizit, dass nicht nur der Hauptbahnhof und der in Richtung Damm angrenzende ehemalige Verschiebebahnhof, sondern auch die Seibert-Werke zu einem Hauptangriffsziel der alliierten Bomben-Flieger im Zweiten Weltkrieg geworden seien. Ferner wundere es ihn nicht, dass um Umfeld des Aschaffenburger Bahnhofes sowie im Industriegebiet Nilkheim immer wieder Blindgänger gefunden werden.
Zu erwähnen bleibt, dass es in der einschlägig bekannten Literatur bislang sehr wenig Informationen über die Seibert-Werke gibt, da häufig nur auf den Stadtteil Damm oder die Munitions- und Rüstungsbetriebe im Stadtteil Schweinheim Bezug genommen wird. Angaben darüber, dass in den Seibert-Werken Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter beschäftigt waren, lassen sich nur sehr selten finden. Das Luftbild der „Trolley Mission“ zeigt diesbezüglich eindeutig die Barracken der Zwangsarbeiter, die neben dem ehemaligen Verwaltungsgebäude auf Höhe der heutigen Niedernberger Straße und Großostheimer Straße angesiedelt waren.
Quelle: Google Earth
Noch erstaunlicher ist, dass die Fertigungshalle der Seibert-Werke heute noch existiert, da unmittelbar in der Nachkriegszeit mit dem Wiederaufbau der Werkshallen begonnen wurde. Auf dem nachstehenden Vergleichsbild sind das alte Verwaltungsgebäude mit einem roten Pfeil und die Ausmaße der Halle mit gelben Pfeilen markiert. Zu berichten bleibt, dass die Seibert-Werke im Jahre 1969 von den Eisenwerken Kaiserslautern aufgekauft wurden, aus denen wiederum zur Mitte der 1970’er Jahre die Stahl- und Maschinenbau Aschaffenburg (SMA) hervorging, die im Jahre 1995 von der Offenbacher Firma Lavis übernommen wurde. Das Luftbild wurde von Herrn Michael Schmitz identifiziert - vielen Dank!
Bildcode: USASC-92
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