Ein seltenes Foto aus dem Zweiten Weltkrieg: Ein Beuteflugzeug aus der Flotte des Wanderzirkus Rosarius auf dem Fliegerhorst Göttingen

Die Luftaufnahme, die im Tiefflug über dem Fliegerhorst Göttingen erstellt worden ist, zeigt vor dem Hangar ein Beuteflugzeug des sogenannten „Wanderzirkus Rosarius“. Bei der Maschine handelt es sich um eine Republic P47D mit der Werknummer 42-75971 und der deutschen Kennung T9 + LK. Wanderzirkus Rosarius bzw. „Beutezirkus Rosarius“ oder „Zirkus Rosarius“ waren die inoffiziellen Namen der 2. Staffel des Versuchsverbands Oberbefehlshaber der Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg, deren Aufgabe es war, erbeutete alliierte Flugzeuge zu sammeln und zu hangagieren, um sie wiederum deutschen Piloten vorzustellen. Jene Luftwaffeneinheit wurde im Jahre 1944 auf den Flugplatz Göttingen verlegt. Um die Beuteflugzeuge und ihre aerodynamischen Eigenschaften sowie ihr Flugverhalten besser kennenzulernen, flogen Luftwaffenpiloten mit den erbeuteten Luftfahrzeugmustern von Standort zu Standort, was letztlich zum inoffiziellen Namen „Wanderzirkus“ führte.

Teile des Versuchsverbands Oberbefehlshaber der Luftwaffe wurden seinerzeit in das Kampfgeschwader 200 überführt. In der Literatur sowie auf diversen Internetseiten, u.a. www.ww2.dk, sind zahlreiche Bilder verfügbar, welche die Maschine vor dem Hangar in Göttingen zeigen, die am 8. April 1945 von US-amerikanischen Truppen entdeckt wurde und danach wohl einige Wochen so vor dem Hangar stand, berichtet Herr Michael Schmitz, der das Luftbild identifiziert hat - vielen Dank!

Abgesehen von dem Beuteflugzeug dürfte allerdings auch noch die Geschichte des Flugplatzes in Göttingen zu skizzieren sein, da hierüber bislang sehr wenig bekannt ist und der Umstand, dass Göttingen überhaupt einen Militärflugplatz besaß, zusehends in Vergessenheit gerät. Das Flugplatzgelände umfaßte das Gebiet zwischen dem Elliehäuser Weg im Norden und der Industriestraße im Süden bzw. zwischen der Otto-Brenner-Straße und der Martin-Luther-Straße im Westen und der Holtenser Landstraße und Königsallee im Osten.

Erste Planungen für einen Militärflugplatz in Göttingen gab es bereits während des Ersten Weltkrieges, doch zum Bau kommt es erst in den Jahren von 1934 bis 1936. Mit einer Gesamtfläche von mehr als 100 Hektar ist der Fliegerhorst bei seiner Eröffnung im April 1937 die größte Militäranlage in Göttingen. Insgesamt waren knapp 100 Gebäude, Hallen und Hangars über das Gelände verteilt. Während an der Ostseite vor allem Kasernen- und Verwaltungsgebäude untergebracht waren, standen die Hangars an der südlichen Seite des Flugplatzes. Das Rollfeld befand sich etwa im Bereich der heutigen Adolf-Hoyer-Straße bzw. Florenz-Sartorius-Straße.

Auch die Aerodynamische Versuchsanstalt, die im Jahre 1907 als Modellversuchsanstalt für Aerodynamik gegründet wurde und im Jahre 1969 in der neu gegründeten Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt aufging, die wiederum im Jahre 1997 in Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt umbenannt wurde, war mit einem eigenen Forschungshangar an der nordwestlichen Seite des Flugplatzes vertreten. Der gesamte Luftwaffen-Stützpunkt erhielt zudem den Decknamen „Helenental” und diente vor allem der Forschung und Erprobung neuer Luftfahrzeuge, u.a. des Nurflügel-Flugzeuges der Gebrüder Horten. Noch vor Ende des Zweiten Weltkrieges hatte die Luftwaffe den Fliegerhorst verlassen und einige Gebäude gesprengt. Ende der 1940’er Jahre wurden weitere Gebäude abgerissen, so dass heute vom Flugplatz fast keinerlei Spuren mehr zu erkennen sind, zumal hier das Industriegebiet Göttingen-Grone entstanden ist.

Bildcode: USASC-127