Befliegung: Analyse der Luftaufnahmen und Auswertung der Luftbilder von Berlin gemäß der historischen Flugstrecken und Flugpläne (Befliegungskorridore)

Veröffentlicht am 10. Mai 2021

Befliegung: Analyse der Luftaufnahmen und Auswertung der Luftbilder von Berlin gemäß der historischen Flugstrecken und Flugpläne (Befliegungskorridore)

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts lassen Städte und Gemeinden regelmäßig sogenannte „Bildflüge“ oder „Befliegungen“ zur Fernerkundung durchführen. Jene Luftaufnahmen dienen vornehmlich der professionellen Nutzung, beispielsweise zur Erstellung von Liegenschaftskatastersystemen, von amtlichen Straßenkarten sowie von topographischen Karten, die mit Infrarotbildern oder Sachdaten zur Bodennutzung sowie Bodenrichtwerten kombiniert werden. In den meisten Fällen handelt es sich sich um verzerrungsfreie, maßstabsgetreue Orthophotos, also um Senkrechtaufnahmen, georeferenzierte Senkrechtbilder bzw. sogenannte Nadiraufnahmen (Luftbilder mit genau lotrechter Aufnahmerichtung), welche als Basis für Anwendungen in der Geodäsie und in der Photogrammetrie genutzt werden.

Keine Senkrecht-, sondern Schrägaufnahmen

Eine Ausnahme stellt der Bestand „Luftbilder 1954“ dar, denn es handelt sich hierbei um eine Serie von Schrägluftbildern, Geneigtaufnahmen bzw. Schrägaufnahmen, die seinerzeit von der Firma Hansa Luftbild AG zur Vorbereitung der Internationalen Bauausstellung 1957 („Interbau“ bzw. „IBA“) im Auftrag des West-Berliner Senates angefertigt wurden. Hinsichtlich der Bauausstellung wurde mit dem Bildflug im Juni 1954 die Absicht verfolgt, photographische Ansichten für Teilgebiete West-Berlins zu erhalten, um damit im Rahmen der Stadtplanung die Neugestaltung der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Stadt vorantreiben zu können. Entstanden sind über 260 Schwarz-Weiß-Schrägluftbilder, die seinerzeit als Architektur- sowie Stadt- bzw. Landschaftsaufnahmen dienten. Aus heutiger Sicht stellen diese Schrägaufnahmen eine ganz besondere Rarität dar, weil sie nicht nur den städtebaulichen Zustand neun Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges dokumentieren, sondern auch – auf bestimmten Bildern – einen Blick auf die damals noch nicht durch die „Berliner Mauer“ geteilte Stadt offerieren. Darüber hinaus gewähren jene Luftaufnahmen einen Rückblick auf Gebäude, Eisenbahngelände und Straßenverläufe, die heute nicht mehr existieren, hierzu zählen beispielsweise der Anhalter Bahnhof, die Bahnanlagen in der Umgebung des Berliner Gleisdreiecks oder die Installationen auf dem Flughafen Tempelhof, etc.

Jeder Bildflug wird auf Grundlage eines zuvor definierten Flugplans bzw. Befliegungsplans durchgeführt, der ein aus der Luft zu dokumentierendes Gebiet in einzelne Flugstrecken („Befliegungskorridore“) aufteilt. Der Pilot im bildaufnehmenden Luftfahrzeug muß sich streng an einen fest definierten Kompaßkurs bzw. Steuerkurs halten, um die unterschiedlichen Bildflugstrecken „sauber“ befliegen zu können. Schlußendlich entstehen Flugbahnen, die vergleichsweise einem Traktor mit Pflug in der Landwirtschaft ähneln, der einen Acker zu durchpflügen hat. So wie am Boden in fest vorgegebenen Bahnen ein Acker durchpflügt wird, werden in der Luft vorgegebene Flugbahnen abgeflogen. Markus Lenz konnte im Archiv der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen einen Befliegungsplan aus dem Jahre 1954 rekonstruieren, der seinerzeit die Grundlage für die Bildflüge über den Stadtteilen Wedding, Kreuzberg und Wilmersdorf bildete.

Befliegungsplan für West-Berlin aus dem Archiv der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen

Abbildung: Befliegungsplan West-Berlin Wedding, Kreuzberg und Wilmersdorf
Quelle: Archiv der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen

Auswertung der Befliegungskorridore

Nach Auswertung der einzelnen Luftbilder wurden im Juni 1954 insgesamt 25 Flugstrecken abgeflogen, die Markus Lenz der besseren Unterscheidung wegen mit der Buchstabiertafel nach internationalem ICAO Standard - gemeinhin auch als Fliegeralphabet oder Funkalphabet bekannt - bezeichnet hat.

Aus den Flugstrecken ALPHA bis YANKEE sind jene Abschnitte entstanden, die bei Verwendung eines Desktop PC oder Tablet PC über das seitliche Auswahlmenü bzw. bei Verwendung eines Smartphones über das Auswahlmenü am Ende dieser Internetseite zur Verfügung stehen. Der besseren Übersicht wegen sind jene 25 Flugstrecken nachstehend als Einzelgraphiken abgebildet. Es handelt sich dabei um Scans aus den Arbeitsunterlagen von Markus Lenz, die auf den Geodateninformationen des „FIS Broker“ basieren.

Auswertung der Befliegung von Berlin 1954 von Markus Lenz (Flugstrecken ALPHA bis NOVEMBER)

Abbildung: Auswertung der Befliegung (Flugstrecken ALPHA bis NOVEMBER)
Quelle: Markus Lenz

Auswertung der Befliegung von Berlin 1954 von Markus Lenz (Flugstrecken OSCAR bis SIERRA)

Abbildung: Auswertung der Befliegung (Flugstrecken OSCAR bis SIERRA)
Quelle: Markus Lenz

Auswertung der Befliegung von Berlin 1954 von Markus Lenz (Flugstrecken TANGO bis X-RAY)

Abbildung: Auswertung der Befliegung (Flugstrecken TANGO bis X-RAY)
Quelle: Markus Lenz

Auswertung der Befliegung von Berlin 1954 von Markus Lenz (Flugstrecke YANKEE)

Abbildung: Auswertung der Befliegung (Flugstrecke YANKEE)
Quelle: Markus Lenz

Zusammenfassung

Die Abschnitte ALPHA bis YANKEE enthalten durchschnittlich etwa zehn bis zwölf Luftaufnahmen. Die Flugrichtung entsprach im Jahre 1954 einem Kompaßkurs bzw. Steuerkurs von etwa 002°, d.h. die einzelnen Strecken sind von Süden nach Norden abgeflogen worden, wobei der Blickwinkel der Kamera stets gen Osten ausgerichtet war. Eine Ausnahme besteht beim Abschnitt YANKEE. Hier entsprach die Flugrichtung einem Kompaßkurs bzw. Steuerkurs von etwa 088°, d.h. die Strecke ist von Westen nach Osten abgeflogen worden, wobei der Blickwinkel der Kamera gen Norden ausgerichtet war.

Während der Befliegung sind die einzelnen Schrägluftbilder im Abstand von wenigen Sekunden erstellt worden, so dass beim Anschauen der einzelnen Bildserien immer ein mittelgroßer Versatz, also eine horizontale und vertikale Abweichung zwischen den Bildern, zu erkennen ist. In den Abschnitten ALPHA bis YANKEE wurden die einzelnen Schrägluftbilder auf dieser Internetseite wie in einem Buch von Norden nach Süden bzw. „von oben nach unten“ angeordnet. Der Blickwinkel verschiebt sich beim „virtuellen Umblättern“ bzw. beim Scrollen jeweils um einen Versatz zur rechten Seite hin.

Kontaktinformationen

Markus Lenz, Frankfurt am Main, DE
E-Mail: aviation @ markus-lenz.de
Telefon: 069 - 2475 3034 (Anrufbeantworter)

Information

Dieses Forschungsprojekt von Markus Lenz befaßt sich mit der Analyse von Luftaufnahmen und Auswertung von Luftbildern der Stadt Berlin (West-Berlin) aus dem Jahre 1954, die während einer Befliegung der Firma Hansa Luftbild AG neun Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind.